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Zusammenfassende Aktualisierung der EGMR-Beschwerde

Die Erneuerung der Beschwerde am Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte vom 18.9.08 empfiehlt sich vor allem als kurzer und zusammenfassender aktueller Text. Gegen die Argumentation in der ursprünglichen Beschwerde konnten bislang keine ernsthaften Einwände erhoben werden. Wir mussten lediglich eine falsch abgedruckte Hochzahl richtigstellen.Die zusammenfassende Erneuerung der MR-Beschwerde steht hier zum Download zur Verfügung:

cern-aktualisierte-mr-beschwerde-lhc-kritik.pdf

COUR EUROPÉENNE DES DROITS DE L’HOMMEEUROPEAN COURT OF HUMAN RIGHTS

EUROPÄISCHER GERICHTSHOF FÜR MENSCHENRECHTE

Conseil de l’Europe - Council of Europe - Europarat

Strasbourg, France – Frankreich

Council of Europe

Palais de l’Europe Avenue de l’Europe F-67075 Strasbourg 

Cedex, France Aktenzeichen: 41028/08 

Ä U S S E R U N G

zur gemäß Artikel 34 der Europäischen Menschenrechtskonvention und Artikel 45 und 47 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs eingereichten Beschwerde 

Wie bereits per Telefax mitgeteilt, wird die eingereichte Beschwerde aufrechterhalten und weiterverfolgt.  

Gerade die Ereignisse der letzten Zeit haben zutagetreten lassen, dass die Gefährdungen, die von der durch die belangten Staaten in einem gemeinsamen Forschungsprojekt an der Schweizerisch-Französischen Grenze betriebenen kernphysikalischen experimentellen Anlage CERN ausgehen, welche den größten Teilchenbeschleuniger der Welt, den sogenannten LHC, beinhaltet, nicht von der Hand zu weisen sind. Besonders beunruhigend ist dabei, dass in dem ursprünglichen, dem Hohen Gericht bereits vorliegenden und seit zwei Wochen im Internet veröffentlichten Beschwerdetext, nur eine falsch abgedruckte Hochzahl geändert werden musste, ansonsten aber keine ernsthaften Einwände gegen die Argumentationsführung erhoben werden konnten.

Sowohl Stellungnahmen unabhängiger Wissenschaftler als auch zahlreiche mediale Berichte haben gezeigt, dass – im Sinne der eingereichten Beschwerde – ein erhebliches Gefahrenpotenzial für Leib und Leben (Artikel 2 EMRK) und für die Umwelt (Artikel 8 EMRK) vorliegt. Es liegen keinerlei gesicherte Erkenntnisse vor, dass wirksame Abhilfevorkehrungen gegen ein solches Gefahrenpotenzial getroffen worden wären. Vielmehr soll ein „jeu d’hazard“ auf Kosten der Sicherheit der körperlichen Unversehrtheit und der Unversehrtheit der Umwelt durchgeführt werden.

Da die belangten Staaten nicht nur nichts tun, um dem entgegenzuwirken, sondern dies sogar aktiv betreiben und unterstützen, ist deren unmittelbare, direkte Verantwortlichkeit gegeben. Die eingereichte Beschwerde erweist sich unter diesem zentralen Aspekt folglich sowohl als formal zulässig als auch als inhaltlich begründet.

Es hat sich insbesondere abermals bestätigt bzw. herausgestellt:

1.     dass CERN selbst die Entstehung stabiler bzw. semi-stabiler Mikro-Schwarzer-Löcher durchaus für möglich hält und dass es am CERN ein „Black Holes Institute“ gibt. Eine dem bereits eingereichten Beschwerdetext beigelegte, CERN-nahe Studie spricht von der Erzeugung eines (angeblich wieder zerstrahlenden) Mikro-Schwarzen Loches pro Sekunde am LHC.

2.     dass für den Fall der Entstehung dieser potentiell denkbar gefährlichsten Objekte überhaupt keinerlei Sicherheitsvorkehrungen getroffen wurden und es ein bis zwei Jahre lang dauern soll, bis zumindest die erwarteten Ergebnisse ausgewertet sind, wobei etwa nicht strahlende, stabile Schwarze Löcher sogar mittelfristig überhaupt nicht entdeckt werden könnten.

3.     dass sämtliche Sicherheitsargumente bei CERN auf unbewiesenen Hypothesen beruhen und dass insbesondere die vielzitierte, paradoxe „Hawking-Strahlung“, die für den Zerfall der Mikro-Schwarzen-Löcher garantieren soll, noch niemals nachgewiesen werden konnte.

4.     dass die mögliche Entstehung und der mögliche Zerfall Mikro-Schwarzer-Löcher in der Atmosphäre noch nie gemessen wurde und dass somit auch dieser Verweis im CERN-Sicherheitsargument ebenso rein hypothetisch ist.

5.     dass dieser Versuch eines Vergleichs mit erdnahen natürlichen Ereignissen außerdem in technischer Hinsicht völlig abwegig ist, zumal dort nicht zwei auf annähernde Lichtgeschwindigkeit beschleunigte Bündel von jeweils 100 Milliarden Protonen mit der Energie von zwei Schnellzügen bei 150 km/h frontal aufeinanderprallen - und zwar bei 600 Millionen Protonenkollisionen pro Sekunde. Die von CERN angeführten, rein hypothetischen Vergleiche betreffen immer nur die Kollision zweier einzelner Protonen. Insbesondere hätten natürlich erzeugte Mikro-Schwarze-Löcher einen hohen Impuls, während jene am LHC künstlich erzeugten auf der Erde verbleiben könnten. 

6.     dass ein rein beobachtendes Experiment in der Atmosphäre aber möglich wäre, indem auch von CERN vorgegeben wird, dass sich in der Atmosphäre angeblich nichts anderes als am LHC ereigne, nur viel seltener. Das heißt, dass das Forschungsziel auch mit ungefährlichen Mitteln erreicht werden könnte.

7.     dass zwei ganz aktuelle und weitgehend noch unzureichend diskutierte wissenschaftliche Studien existieren, die eine Stabilität der am LHC möglicherweise erzeugbaren Mikro-Schwarzen-Löcher veranschaulichen, wobei insbesondere Dr. Plaga sich mit CERN-Vertretern mitten in einer wissenschaftlichen Diskussion befindet, die sich um ein sogenanntes ‚semi-stabiles‘ oder ‚meta-stabiles‘ Schwarzes Loch oder auch ‚Relikt‘ dreht, dessen mögliche Erzeugung am LHC sogar kurzfristige, irreversible globale Folgen hätte. Bislang hätte man es kaum für möglich gehalten, dass diese Klasse semi-stabiler, also nicht mehr wachsender, sondern nur noch intensiv strahlender Objekte wegen ihrer kurzfristigen globalen Folgen noch viel gefährlicher sein könnte als ein sogenannter „stabiler“ Körper dieser Art. (Beide Studien und die CERN-Entgegnung sind beigefügt, wobei Dr. Plaga eben mit seiner Entgegnung beschäftigt ist. Bitte diesbezüglich auch das im bereits eingereichten Beschwerdetext angeführte Patent zu beachten.)

8.     dass ein aktualisierter Bericht des Wissenschaftlichen Beirates des Deutschen Bundestages vorliegt, der schon in der Einleitung beschreibt, dass hinsichtlich der 4 bekannten kategorischen Varianten von Szenarien bezüglich globaler Risiken „aller Voraussicht nach keine konkrete Gefahr besteht“, also auch hier keinesfalls von einer globalen Sicherheit durch die Experimente am LHC die Rede sein kann (beigefügt). Dieser von nur einer Person verfasste Bericht scheint auch der einzige an den Deutschen Bundestag ergangene zu sein. Aus Österreich und der Schweiz, sowie auch aus den anderen Mitgliedsstaaten, liegen keine Informationen vor, dass die Parlamente überhaupt informiert worden wären.

9.     dass weiterhin die wissenschaftlichen Meinungen bezüglich einer möglichen globalen Risikos durch die Experimente zwischen 50 Monaten und mehreren Milliarden Jahren vielfältig schwanken, wobei vielleicht beide Extreme übertrieben sind. Ein Szenario mit höchstens 27 Jahren bezüglich der Wachstumsphase Mikro-Schwarzer-Löcher etwa konnte mathematisch plausibel gemacht werden. Sogar ein hypothetisches Szenario mit mehreren Milliarden Jahren würde allerdings weder die Zuständigkeit des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, noch das mögliche Vorliegen eines konkret bevorstehenden Tatbestandes ausschließen.  

10.  dass aus diesen und in der ausführlichen Beschwerdeschrift angeführten Gründen, ähnlich wie es in der Medizin oder der Biologie schon der Fall war, ein Moratorium, das heißt eine Nachdenkpause, beziehungsweise eine intensive interdisziplinäre Prüfung der geschilderten Umstände unbedingt notwendig ist.  

Daraus – im Zusammenhalt mit den weiteren in der Beschwerde dargelegten Argumenten – erhellt sich die sachliche Begründung der eingereichten Beschwerde.

Sie wird daher – unbeschadet der vom EGMR getroffenen Entscheidung über den mit der Beschwerde verbundenen Antrag auf interim measures – vollinhaltlich aufrechterhalten und weiterverfolgt.

Nach Aussagen des Versuchsleiters sollen die Experimente trotz einer technischen Panne und des vorrübergehenden Abbruchs des Hochfahrprozesses des experimentellen kernphysikalischen Reaktors LHC, bereits nächste Woche, angeblich bei niedriger Energie, dennoch aufgenommen werden.

Das Hohe Gericht wird also dringend ersucht, bei weiterer Aufrechterhaltung der Pläne zu den gefährlichen Experimenten, noch vor der offiziellen Eröffnung des LHC am 21. Oktober bzw. vor dem Beginn der geplanten, jahrelangen Versuchsreihe bei Hochenergie, letztendlich wenn notwendig ein behördliches Einschreiten am CERN in Genf zu veranlassen und auf die verantwortlichen Politiker der 20 CERN-Mitgliedsstaaten dahingehend einzuwirken, eine gebührende interdisziplinäre, wissenschaftliche Erörterung und eine dem Gegenstand angemessene genaue Prüfung vor dem Start der Experimente zu ermöglichen.

Auf den Bau weiterer Beschleunigeranlagen sollte bis auf weiteres verzichtet werden, wobei aktuell der technische Aspekt sowie der ethische, philosophische und sozialwissenschaftliche in der LHC-Sicherheitsprüfung wesentlich stärker gewichtet, beziehungsweise überhaupt erst berücksichtigt werden muss. Ein Gleichgewicht aus 4 Fachbereichen könnte dabei sinnvoll erscheinen:

  1. Theoretische Physik, Mathematik und Informatik
  2. Technische Physik, Maschinenbau und Ingenieurwesen 
  3. Philosophie, Wissenschaftstheorie und Ethik
  4. Kultur- und Sozialwissenschaften

Anstatt dass, wie zur Zeit gegeben, die Sicherheitsbewertung von einer CERN-internen Gruppe von 26 Physikern getroffen wird, sollten dies vielmehr CERN-externe und jeweils aus mehreren unabhängigen Instituten bestehenden Arbeitsgruppen sein, die der Politik Bericht erstatten. Dies würde jedem vernünftigen Standard entsprechen, welcher in der experimentellen Hochenergiephysik aber noch zu schaffen wäre.

Im Übrigen wird eine rechtzeitige mündliche Verhandlung vor dem EGMR beantragt.

Beilagen:

  1. Bericht des Wissenschaftlichen Beirates des Deutschen Bundestages: http://www.bundestag.de/wissen/analysen/2008/LHC-Projekt.pdf
  2. R. Plaga: On the potential catastrophic risk from metastable quantum-black holes produced at particle colliders: http://arxiv.org/PS_cache/arxiv/pdf/0808/0808.1415v1.pdf
  3. Giddings / Mangano (CERN): Comments on claimed risks from metastable black holes: http://arxiv.org/PS_cache/arxiv/pdf/0808/0808.4087v1.pdf
  4. Maya / Monte: On the Stability of Black Holes at the LHC: http://arxiv.org/PS_cache/arxiv/pdf/0808/0808.2631v1.pdf
  5. Shahn Majid: Particle Accelerators, CERN, and Doomsday: http://www.cambridgeblog.org/2008/09/particle-accelerators-cern-and-doomsday/#more-740

Sämtliche Beilagen in der bereits eingereichten Beschwerde behalten ihre Aktualität.